„Meine Arbeiten gehörten ins Scheinwerferlicht, aber mein Platz war hinter der Bühne, auf der Bühne bei geöffneten Vorhängen kriegte ich Platzangst," so die Bühnenbildnerin Elli Büttner. 43 Jahre war sie für das Darmstädter Theater tätig und sie war zu ihrer Zeit eine der wenigen weiblichen Bühnenbildnerinnen in Deutschland. Sie arbeitete mit namhaften Regisseuren und Schauspieler/innen zusammen, als das Darmstädter Theater als Sprungbrett für die großen Bühnen galt.
Elli Büttner fing von der Pike an: Nach ihrer Ausbildung zur Damenschneiderin und Modedesignerin betrat sie im Februar
1922 hoffnungsvoll den Malersaal des Darmstädter Theaters. Aber anstatt Kulissen und Kostüme zu entwerfen, musste sie die sogenannten Bühnenprospekte mit Eimer und Schrubber
reinigen. Danach waren Blätter von Bäumen und Blumen zu basteln. Bis zu zehn Stunden am Tag half sie, Inszenierungen vorzubereiten. „Wozu? Was hatte
das mit meinen Träumen von der Kunst auf der Bühne zu tun?..." , fragte sich Elli Büttner damals. Lehrjahre sind keine Herrenjahre, aber sie setzte sich durch. Sie lernte die
Welt des Theaters kennen, lieben und blieb. Ab 1928 durfte sie eigene Bühnenbilder gestalten, vielfältig, immer wieder innovativ und voller Liebe zum Detail und das mit großer
Bandbreite: Von expressionistischen Bühnenbildern über kühle Moderne bis zu romantischen Märcheninszenierungen – Elli Büttner war mit ganzer Seele dabei. „Gebt ihr einen Faden- und Farbrest, vielleicht noch ein Stück Draht oder stabiles Seil, und sie macht ein ganzes Ausstattungsstück samt Operettenensemble im Puppenformat
daraus." schreibt Margarete Dierks im Vorwort zu Elli Büttners Autobiografie.
Es gab nur eine Theaterpause in Büttners Leben: Die Darmstädter Brandnacht 1944 zerstörte das Theater, aber
bereits 1945 wurde der Spielbetrieb mit viel Erfindungsgeist und Improvisation in der Orangerie fortgesetzt. „Todmüde, nicht mehr ansprechbar, sank ich auf eine Rolle alter Teppiche im Kassenraum zusammen; es war kein Stuhl mehr frei im ganzen Hause..."
An die 370 Bühnenbilder und Kostüme zu 494 Inszenierungen entstanden während ihrer Tätigkeit. Fast schien die Zeit spurlos an ihr vorbeigegangen zu sein, das Theater hielt sie jung. Nur eines mochte sie nicht: selber auf der Bühne stehen. Regisseure mussten sie regelrecht auf die Bühne zerren, wenn das Publikum ihr danken wollte. „Geschafft habe ich für aller Augen, aber sehen lassen mochte ich mich nicht gerne, gewöhnlich hatte ich gar keine Zeit dazu.", so Elli Büttner.
Ein besonderes Highlight im Rahmen meiner Recherchen war für mich der Besuch im Theaterarchiv, das in der
Darmstädter Universitäts- und Landesbibliothek untergebracht ist. Die Vorsichtsmaßnahmen wegen Covid waren bereits in den Anfängen, aber ich hatte noch
Glück:
Frau Dr. Uhlemann führte mich in das Kellergeschoss, wo ich vorsichtig handgemalte Figurinen und dreidimensionale Bühnenmodelle betrachten konnte. Die
zum Teil fast kindlich anmutenden Bilder täuschen. Elli Büttner wusste auf Grund ihrer langjährigen Erfahrung ganz genau, welchen Stoff
sie für welches Kostüm einsetzen wollte. Die Wirkung von Farben, Effekten und Beleuchtung hatte sie im Kopf. Die Ensembles konnten sich auf sie verlassen.
„Während ich noch auf der Bühne beschäftigt war, hörte ich sie rufen »Vorhang auf!« Und ich rief dagegen: »Unten lassen! Wir sind gleich fertig«". Liebevoll nannte man Elli Büttner auch: „Napoleon, Petit Corporal"
Ich danke sehr herzlich Dr. Silvia Uhlemann, Universitäts- und Landesbibliothek, Leitung historische Sammlungen für den schönen Ausflug in die Welt der Figurinen und Agnes Schmidt von der Luise-Büchner-Gesellschaft für die Sondierung im Vorfeld.
Quelle: Elli Büttner, Darmstädter Theaterjahre