„Sie hawwe mer so e bekannt Physionomie...“ Dieses Zitat aus der beliebten Darmstädter Lokalposse, dem „Datterich" wird nachwievor oft und mit Freude zum Besten gegeben. Über den Autor Ernst Elias Niebergall ist dagegen fast nichts bekannt.
Rückblick, Februar 2020, kurz vor dem Lockdown: Ich sitze im Büro des Stadtarchivars Dr. Peter Engels und bin leicht deprimiert. Ich hatte das Gespräch mit Peter Engels gesucht, in der Hoffnung, wenigstens etwas mehr über den Autoren Ernst Elias Niebergall zu erfahren, als in der Literatur zu finden ist... aber Wunsch und Wirklichkeit gingen zu meinem Bedauern weit auseinander. Ich hatte es wohl mal wieder mit einem „Phantom " zu tun.
Dr. Peter Engels hat sich immer wieder mit der historischen Person Ernst Elias Niebergalls beschäftigt, doch leider führte
diese Spurensuche, vor allem die nach aussagekräftigen Porträts, ins Leere.
Niebergall war arm und seinerzeit nicht bekannt. Ob er das Geld besaß, um sich ein Porträt
anfertigen zu lassen, ist fraglich. Es bleiben ein von ihm gezeichnetes Bildchen aus der Studentenzeit, auf dem er evtl. abgebildet sein könnte (Pfeifenraucher rechts) sowie eine
Totenmaske, die jedoch nicht verifiziert ist. Zum Trost sendete mir Peter Engels das Foto des Bruders, Wilhelm Niebergall zu. Allerdings sprach mich dieses Porträt gar nicht an.
Irgendwie stellte ich mir Niebergall dann doch anders vor.
Es mangelte nicht an Bildmaterial. Die beliebte Lokalposse „Datterich" hat über die Jahre viele Bildhauer, Zeichner und Maler inspiriert. Zahlreiche Darstellungen des Datterich und seiner Mitbürger haben Generationen von Darmstädter*innen erfreut.
Nur: Es sind eben Darstellungen der Bühnenfigur des Datterich mit Gehrock und Zylinderhut und nicht die von
Niebergall!
Hätte sich Niebergall überhaupt einen Zylinder leisten können? Wohl eher nicht, wenn ich an die ärmlichen Lebensumstände das
Autors denke ;-)
Wie sollte ich nun mit meinem „Phantom" umgehen? Ich sah zwei Möglichkeiten: Ich konnte ein Phantasieporträt aus meiner Vorstellung erschaffen oder zum bewährten Mittel der „Rückansicht“ greifen. In meiner Vorstellung sah ich einen noch recht jungen, schlecht genährten, ärmlichen Mann. Wilhelm Buschs Zeichnungen von armen Schulmeistern dienten mir hier als Vorlage. Und ich entschied mich dann doch für die „Rückansicht“. ...Zu vieles war unklar.
Und so entstand er dann – „mein" Niebergall – Ein junger Mann, der mit Ironie und voller Sehnsucht nach besseren Zeiten versunken an einem Schauspiel schreibt. Und um die Protagonisten endlich zu trennen:
Ein schattenhafter Datterich, der seinem Schöpfer wohlwollend über die Schulter sieht!
So kann ich leider kein klassisches Niebergall-Porträt der großen Sammlung von Niebergall-Bildern hinzufügen
;-)
Ich bleibe bei der Rückansicht.
Ich danke Dr. Peter Engels sehr herzlich für das wirklich schöne Gespräch und die kleinen Erleuchtungen, die es gebracht hat.