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Zu den Sternen – Dr. Thomas Reiter

„Der Blick aus dem Erdorbit lässt die Atmosphäre als hauchdünne Schicht erscheinen – die Erde ist verletzlich.“

So Astronaut Dr. Thomas Reiter, der bei seinen Langzeitaufenthalten im All ausreichend Gelegenheit hatte, unseren Planeten mit Abstand zu betrachten. Rund 5600 Mal hat er bei seinen Einsätzen als Raumfahrer die Erde umrundet, 350 Tage im Weltraum verbracht, sowie Außeneinsätze im All erlebt. 

Welche Fähigkeiten sollte ein Astronaut haben? Wie kommt man mit den vielen unterschiedlichen Menschen und Mentalitäten in internationalen Raumfahrtteams zurecht? Was nimmt ein Astronaut bei einem Außeneinsatz im All wahr? 
Diese und viele weitere Fragestellungen veranlassten mich im Mai 2020 im Rahmen meines Kalenderprojektes bei der ESOC/ESA Darmstadt nach einem persönlichen Interviewtermin mit Dr. Thomas Reiter anzufragen. Ein Aspekt, der mich sehr interessierte, war die internationale Zusammenarbeit  von Forschungsteams. Das Thema Raumfahrt hatte mich schon immer fasziniert, nicht zufällig leuchtet seit Jahrzehnten eine Galaxis auf meinem Rechner – und die Persönlichkeit Thomas Reiters war mir schon lange aus Interviews und Filmen vertraut. So freute ich mich sehr, dass unser Gespräch trotz Lockdowns online stattfinden konnte.


Zur Information in Kürze: Raumfahrt in Darmstadt, die ESOC/ESA

Am 8. September 1967 wurde das Europäische Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt, eines der Operationszentren der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) vom damaligen Bundesforschungsminister, Gerhard Stoltenberg, im Darmstädter Europaviertel eröffnet. Im Jahr 2019 beschäftigte das ESOC etwa 270 Festangestellte sowie 600 Mitarbeiter von Vertragsfirmen. Innerhalb Darmstadts ist die ESOC/ESA mit zahlreichen Institutionen vernetzt, wie z.B. der TUD, dem Fraunhofer IGD oder dem GSI Helmholzzentrum. 

Dr. Thomas Reiter wurde 1958 in Neu-Isenburg geboren. Heute zählt er zu den bekanntesten Repräsentanten der ESA.

für den Eigenbedarf erstellter Zeitstrahl, der politische Aspekte und Stationen der Raumfahrtgeschichte gegenüberstellt
für den Eigenbedarf erstellter Zeitstrahl, der politische Aspekte und Stationen der Raumfahrtgeschichte gegenüberstellt

Bereits als Kind war er sehr oft mit seinen Eltern, passionierten Segelfliegern, auf dem Flugplatz in Egelsbach. Hier begann bereits der Traum vom Fliegen.  Jedoch die Mondlandung 1969 und die ersten Schritte Neil Armstrongs auf dem Mond waren es, die dem damals Elfjährigen  den entscheidenden Impuls gaben: den Traum, Astronaut zu werden  – aber so „einfach" wird man nicht Astronaut: Nach Reiters Ingenieurstudium folgte zunächst eine Offizierskarriere bei der Luftwaffe sowie die Ausbildung zum Jet-Piloten.

Geduld und Ausdauer gehören zu den zahlreichen Eigenschaften, die man als Astronaut benötigt. Endlich, 1989, wurde Reiters Traum wahr: Aus rund 28.000 Bewerbern wählte man ihn für diese anspruchsvolle Ausbildung aus. Neben Studium und körperlicher Fitness sind vor allem mentale Stärken als Auswahlkriterien entscheidend. Für mich besonders spannend: Im All sind Teamplayer gefragt  – denn ein Einsatz im Weltraum erfordert die Kooperation von vielen Menschen und Teams der unterschiedlichsten Nationalitäten und Mentalitäten. Für Einzelkämpfer und Ellenbogenmentalität ist im All kein Platz, ein Aspekt, der mich angesichts  „irdischer Realitäten" besonders freut.


1989 war auch das Jahr des Mauerfalls und das Ende der Ära des Kalten Krieges.
Auf einmal standen sich internationale Wissenschaftler im russischen Sternenstädtchen Swjosdny Gorodok als Kooperationspartner gegenüber. Da hieß es nun Russisch lernen für Thomas Reiter, eine Disziplin, die ihm im Gegensatz zu anderen Ausbildungsbereichen nicht so leicht fiel. Aber mit der Unterstützung der Familie, die fast immer dabei war, ließ sich auch diese Hürde bewältigen. Und so begann die Ausnahmekarriere Reiters: 1995 verbrachte er seinen ersten Langzeitaufenthalt auf der russischen Raumstation MIR. 2006 folgte ein weiterer Einsatz und Langzeitaufenthalt auf der Internationalen Raumstation (ISS). Seitdem setzt sich Reiter nicht nur für die internationale Raumfahrt ein. Der Anblick der Erde in ihrer Schönheit ließ ihn zu einem engagierten Botschafter unseres Planeten werden. In der ZDF-Reihe „Expedition Erde" von 2008 brachte Thomas Reiter erdgeschichtliche Zusammenhänge einem großen Publikum näher.

Das Zitat Thomas Reiters über die  Zerbrechlichkeit unseres Planeten hatte mich angesichts der aktuellen Covid-19-Pandemie besonders  berührt:

Das Interview mit ihm, seine Beschreibung der Erde aus Sicht eines Astronauten begleiteten mich über mehrere Tage bei meinen Spaziergängen. Der Himmel über dem Rhein-Main-Gebiet war Ende Mai wegen des geringen Flugverkehrs so klar wie noch nie:
Wind, Luft, Erde und Pflanzen nahm ich intensiver wahr – die Sinne waren geschärft, wie die kleinen Skizzen oberhalb illustrieren.

 Gleichzeitig entstand eine ganz andere Serie von Illustrationen, die „Cosmic Birds", die sich eher spielerisch mit dem Thema All und Musik befassten –

Thomas Reiter hatte ja eine Gitarre in den Weltraum mitgenommen – ein weiterer Aspekt, den ich sehr sympathisch fand :-)

Auch der Petunientopf sowie der Wal aus dem Klassiker „Per Anhalter durch die Galaxis"  erhielten einen Platz auf dem Kalenderblatt. Zum Glück war der Weltraum auf dem Blatt groß genug!

 

Die Eindrücke und Gedanken, die das Interview in mir auslösten, wurden zu einer unvergesslichen Erfahrung für mich und klingen immer noch nach.

 

Ich danke Hr. Thomas Reiter sehr herzlich, für das spannende Interview und die Nachbereitung,
sowie 
Priscilla Welter für die freundliche Unterstützung und die gesamte Organisation.