Die Recherche zu historischen Persönlichkeiten wird des öfteren zu einer Reise in die Vergangenheit – aber manchmal gestaltet sich
diese sich doch etwas kompliziert.
So bei Elisabeth-Dorothea von Hessen-Darmstadt (* 8. Januar 1640 in Coburg; † 24. August
1709 in Butzbach)
Dabei war sie Darmstadts erste Regentin.
Die historischen Dokumente zu ihrer Person sind leider recht überschaubar. Zum Glück erhielt ich von Agnes Schmidt (Luise-Büchner-Gesellschaft) ein Fachbuch zum Lesen: "Das archivierte Ich" von Helga Meise. Und auch, wenn sich das Buch für mich als Laien nicht so leicht erschloss, entstand ein Bild von Elisabeth
Dorothea.
Wer Buch führt, hat den Überblick. Die junge Elisabeth Dorothea erhielt für eine Frau ihrer Zeit eine ungewöhnlich gute Ausbildung. Da sie
klug und wissbegierig war, erteilte man ihr unter anderem auch Unterricht in Politik und so bekam sie Einblicke, die ihr später nutzen
sollten. Sie erlernte auch die Kunst der Buchführung, die sie Zeit ihres Lebens begleitete.
1766 heiratete sie Ludwig VI. von Hessen-Darmstadt, es war seine zweite Ehe.
Ludwig VI. verstarb jedoch bereits 1678 und kurz darauf sein Sohn aus erster Ehe.
Daraufhin übernahm Elisabeth Dorothea für den gemeinsamen Sohn Ernst Ludwig über zehn Jahre die Vormundschaft und regierte das Land.
Sie tat es
gewissenhaft. Zeugnis davon geben ihre Schreibkalender und Tagebücher. Dorothea erfasste alles: Hausrat, Finanzen, Zeitabläufe bis hin zu Seidenraupen. Sie förderte das Barock-Theater,
schrieb eigene Stücke und nahm selbst an Aufführungen teil.
Im 18. Jahrhunderts wird Elisabeth Dorotheas mit den Worten gedacht, sie habe die vormundschaftliche Regentschaft summa cum laude geführt.
Leider blieb Sohn Ernst Ludwig von ihrer Weitsicht unberührt. 1687, ein Jahr vor seinem Amtsantritt, veröffentlichte die Mutter eine geradezu historische Strafpredigt: „Was mir an dem Ernst Ludewig mißfällt“
Elf Punkte, die den Sohn recht gut charakterisieren. Hier die Punkte 6-9:
"6. machet er sich gantz keinen Respect bey seinen Leuten, sondern macht sich gar zu gemeine mit ihnen, und machet ihne zu viel weiß sie mögen nun sein adelich, oder unadelich,
7. hatt er gar viel affectirtes Wesen, und verdrißliche Minen und Ungebrechen an sich.
8. menagiert er seine Gesundheit, auch seine eigenen Persohn gantz nicht.
9. gehet er lieber mit Canalje, und närrichten, als mit rechtschaffenen, wackeren, klugen und gelehrten Leuten ümb."
(Helga Meise, "Das archivierte Ich")
Es hat nichts genützt.
Ernst Ludwig ließ sich nicht belehren und das Verhältnis der beiden verschlechterte sich kontinuierlich.
Elisabeth Dorothea musste nach Butzbach umsiedeln. Sie hatte sich immer gegen zu hohe Ausgaben und Verschwendung gewandt und musst nun zusehen, wie Ernst Ludwig ein kostpieliges Leben führte.
Elisabeth Dorothea war laut ihrer Tagebücher darüber sehr „betrübet“ und vereinsamte. Sie zog sich bis zu ihrem Tod immer mehr in sich zurück.
Nachtrag:
Im Lauf ihres Lebens hatten sich die zunächst sehr kargen Aufzeichnungen Elisabeth Dorotheas, die primär der Buchhaltung galten, verändert. Mit der Zeit wurde die Einträge immer
persönlicher, berichteten über Ereignisse und Stimmungen und auch die Uhr als Zeitmaß nahm Einzug – zum Schluss sind es bewegende Dokumente einer klugen und einsamen
Regentin.
Ich danke an dieser Stelle sehr herzlich für die Unterstützung bei der Recherche:
Prof. Dr. Ursula Kramer (Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft, Abteilung Musikwissenschaft, Mainz)
Dr. Rainer Maaß, Staatsarchiv Darmstadt
Dr. Peter Engels, Stadtarchiv Darmstadt