"Mein liebes Gretchen,
Guten Morgen! Wie geht es? Schlafen Sie auch ordentlich und machen sich keine zu große Sorgen? Es wird noch alles gut werden – nur unverzagt sein..." (Zarin Alexandra an Margarathe von Fabrice - "Gretchen" - 21.2./5.3.1897)
Dieser Auszug stammt aus einem Brief von Alix, der letzten, russischen Zarin an ihre ehemalige Hofdame, Margarethe von Fabrice.
Das Buch "Alix an Gretchen" umfasst eine Sammlung von Briefen, wurde von Heinrich Graf von Spreti und Thomas Aufleger kommentiert und im Justus von Liebig Verlag 2018 herausgebracht.
Über das Schicksal der letzten Zarin und ihrer Familie ist viel geschrieben worden. Royals üben immer ein besondere Faszination aus, vor allem, wenn es tragisch wird. Auch ich konnte mich zunächst dieser Faszination nicht entziehen. Vieles erschien mir romantisch und mysteriös. Als ich das erste Mal im Darmstädter Schlossmuseum ein Porträtphoto von Alix sah, war ich sehr berührt von ihrer fast melancholischen Schönheit. Faszinierender für mich war jedoch der Bogen, der sich in der Familiengeschichte von Großherzogin Alice zu ihrer Tochter Alix spannte. Wie lebte die Mutter, wie die Tochter? Als roter Faden ziehen sich ein starker protestantischer Glaube, Pflichtbewusstsein sowie der Wunsch nach sozialem Engagement durch beide Biografien. Es war traurig, dass die geliebte Mutter Alice so früh verstarb. Der Verlust traf ihre Kinder schwer. Dennoch war die kleine Alix ein fröhliches Kind und Liebling ihrer Großmutter, Königin Victoria von England. Sie zeichnete gern und fertigte auch später Karikaturen vom Hofleben an.
Bereits mit 12 Jahren lernte Alix auf der Hochzeit ihrer Schwester Elisabeth den Zarensohn Nikolaus kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick, dennoch mussten sich die beiden bis 1894 gedulden. Weder Großmutter Victoria noch die Zarenfamilie waren von einer Heirat begeistert und versuchten diese zu verhindern. Auch wollte die protestantische Alix nicht zum russisch-orthodoxen Glauben wechseln. Alix war durch und durch Protestantin und hätte ihre Konfession als Zarin aufgeben müssen. Der unerwartete Tod des russischen Zaren führte dazu, dass das Paar dann doch im November 1894 heiratete. Nikolaus trat die Thronfolge an. Für Alix war es schwer am russischen Hof. Ernst und zurückhaltend, geriet sie schnell in den Ruf arrogant zu sein. Sie zog sich oft zurück. Das Zarenpaar führte trotz widriger Umstände eine glückliche Ehe – vier Kinder waren die Folge – alles Mädchen. Als endlich der ersehnte Thronerbe Alexei kam, stellte sich heraus, dass er an derselben Bluterkrankheit litt wie Alix früh verstorbener Bruder Friedrich-Wilhelm. Die Erbkrankheit wurde bei Hof geheimgehalten. Der Einzige, der damals helfen konnte, war der Mönch Rasputin. Anscheinend gelang es ihm tatsächlich die Blutungen des kleinen Jungen regelmäßig zu stoppen. Verständlich, dass er für die besorgte Alix zu einem Rettungsanker wurde und so Gerüchte entstanden.
Angesichts des tragischen Endes der gesamten Zarenfamilie durch ein Erschießungskommando der Bolschewiki am 17. Juli 1918 hatte ich das große Bedürfnis, Alix nachträglich "etwas Gutes" zu tun.
Daher lasse ich sie auf meinem Kalenderblatt mit ihrem geliebten Nikolaus einen Walzer tanzen.
Ich danke sehr herzlich dem Historiker Thomas Aufleger für seine großartige Unterstützung.