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3 hohe C – eine Büchse Corned beef

„Sie sind die Frau Köth. Was machen Sie denn hier in der Scala?“
„Ich singe die Königin der Nacht.“
„Die hätte ich singen sollen, aber die Rolle ist mir zu klein.“
„Für mich gibt es bei Mozart keine kleinen Rollen.“

So ungefähr verlief der legendäre Dialog zwischen Maria Callas und Erika Köth bei ihrer ersten und letzten Begegnung in der Mailänder Scala.

Eigentlich wollte die gebürtige Darmstädterin Erika Köth Tänzerin werden. Aber dieser Traum fand, als sie acht Jahre war, ein jähes Ende: Über Nacht erkrankte Erika Köth an Kinderlähmung. Mit Elektrotherapie konnte ihr etwas geholfen werden, aber jahrelang musste sie trainieren: Mit der Unterstützung ihrer Großmutter und einer Gehhilfe quälte sich die kleine Erika im Hausflur auf und ab, um die Muskulatur wieder aufzubauen. Irgendwann zahlte sich das konsequente Üben aus und sie konnte wieder gehen, wobei eine dauerhafte Schwächung blieb. Das Ganze war aber auch ein Glück für Opernfreunde, denn Erika Köth hatte eine Ausnahmestimme. Mühelos und mit einzigartiger Grazie erreichte sie die höchsten Töne. Sie bestand darauf, Gesangsunterricht zu nehmen. Mit Erfolg: Die Menschen liebten ihren Gesang, Während der Bombennächte in den Schutzkellern baten sie die Nachbarn doch zu singen, um ihnen die Angst zu nehmen und den Lärm zu übertönen. Nach dem Krieg studierte sie an der damaligen Städtischen Akademie für Tonkunst in Darmstadt.

Geld war knapp. Erika Köth finanzierte ihre Ausbildung mit einem Engagement bei der Jazzband Wilhar-Meldokirs. Tags war sie Studentin, nachts sang sie mit der Band. „Wir sangen fast nur in amerikanischen Club, die Honorare wurden in Naturalien beglichen. Wechselkurs: etwa drei hohe C – eine kleine Büchse Corned beef..." – Bis einer ihrer Dozenten sie auf einer solchen Veranstaltung traf. Ob sie sich ihre Stimme ruinieren wolle, war die Frage. „Von irgendwas muss ich doch leben..." war ihre Antwort.

Im Jahr 1947 gewann sie unter 300 Bewerbern einen Gesangswettbewerb von Radio Frankfurt mit der Arie der Königin der Nacht. Daraufhin erhielt Erika Köth ihre erste Anstellung im Pfalztheater Kaiserslautern. 

Ab dann ging´s sehr schnell nach oben. 1950 engagierte sie das Badische Staatstheater in Karlsruhe, wo sie auch ihren späteren Mann, Ernst Dorn, kennenlernte.
1953 ging sie an die Bayerische Staatsoper in München, zu deren Ensemble sie bis 1978 gehörte. Sie sang ebenfalls an der Wiener Staatsoper, der Hamburger Staatsoper sowie der Mailänder Scala. 
1960 wurde sie Mitglied der Deutschen Oper Berlin.

Erika Köth war eine Sängerin vom Weltformat. Sie kooperierte mit Fritz Wunderlich, Hermann Prey, Karlheinz Böhm, Herbert von Karajan und vielen weiteren Persönlichkeiten. Dabei blieb sie bodenständig und charmant. 1975 spielte sie im Darmstädter Volksstück “Dadderich“ neben Günther Strack das “Lisettchen".
Erika Köth wusste auch, wann es Zeit war, mit dem Operngesang aufzuhören: 1978 beendete sie diese Karriere viel umjubelt in München als Mimi in Puccinis La Bohème. 
Sie arbeitete als Dozentin für Gesang an  den Musikhochschulen von Köln und Mannheim. Später wandte sie sich dem Volkslied und der "leichteren Muße" zu. Bis zu ihrem Tod lebte sie mit ihrem Mann in Neustadt an der Weinstraße.

(Quelle Zitate: “Herzlichst! Erika Köth", Klaus Adam, Justus von Liebig Verlag Darmstadt, 1969)