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Der Graupner bleibet

Es ist Ende April und ich sitze mit der Musikwissenschaftlerin und Vorsitzenden der Christoph-Graupner-Gesellschaft Prof. Dr. Ursula Kramer  im gemütlichen Café Bleu in Darmstadt. Ich freue mich sehr, dass Frau Kramer sich die Zeit für ein Gespräch über Christoph Graupner genommen hat. Denn das Zeitalter des Barock liegt eine Weile zurück und es fällt mir etwas schwer, mich auf mein „Porträtsujet" einzustellen. Da frage ich doch gerne eine Fachfrau um Rat und falle gleich in der Introrunde vom „Hocker". Denn fröhlich eröffnet Frau Kramer die Runde mit folgenden Worten: „Also nicht, dass Sie meinen, es gäbe ein Porträt von Christoph Graupner. Was Sie im Internet finden, ist in der Regel Landgraf Ernst Ludwig. Es gibt bis heute kein verifiziertes Porträt von Graupner..."

Ich bin dann doch etwas sprachlos. Was soll ich denn porträtieren, wenn es nichts zu porträtieren gibt???
Aber als Kreativer ist man ja flexibel: „Gut"- murmele ich, „dann zeichne ich ihn eben von hinten...ein schöner Rücken kann auch entzücken..."  Frau Kramer ist begeistert.
Aber nicht, dass jemand meint, damit wäre irgendetwas einfacher.

Auch eine Rückansicht will erobert werden. Aber Dank der guten Inputs von Frau Kramer und meine Grundsympathie für (fast) jeden Musiker entsteht langsam eine Idee.

Denn Graupners Schicksal rührt an:

Opern wollte er schreiben und er war ein gefragter Cembalist, als er von Landgraf Ernst Ludwig in der renommierten Hamburger Oper am Gänsemarkt entdeckt wurde.

Landgraf Ernst Ludwig liebte Opern und wollte den Glanz der großen, weiten Welt nach Darmstadt bringen – 1709 unterschrieb Graupner den Vertrag. Aber – Ernst Ludwig liebte auch die Parforce-Jagd – und die war teuer – sehr teuer und das Thema Oper wurde nach ca. 10 Jahren eingestellt. So hatte Graupner sich das nicht vorgestellt! Heimlich reiste er nach Leipzig und bewarb sich um die Stelle des Thomaskantors. Das hätte auch geklappt, aber Ernst Ludwig legte sein Veto ein: „Der Graupner bleibet."  Und da so ein Musiker samt Musik und Komposition zu den Besitztümern eines Fürsten gehörten, war es aus mit dem Traum von der Karriere in Leipzig. Die Sache hatte allerdings auch etwas Gutes: Denn Johann Sebastian Bach wurde stattdessen Thomaskantor in Leipzig und ich denke, das will wohl kaum jemand missen wollen.
Graupner blieb also  in Darmstadt und komponierte für den Haus- und Hofgebrauch, pflichtbewusst und zuverlässig in akkurater Handschrift seine Musik.  1450 Kantaten sind heute noch erhalten. Er schätzte besonders Instrumente mit verhaltenen Klangfarbe wie Chalumeau, Flauto d’amore oder Viola d’amore. Bekannt sind auch seine „Monatliche Clavir Früchte“, die 1722 erschienen. Der „angeheiratete" Johann Conrad Lichtenberg, der Vater Georg Christoph Lichtenbergs, verfasste übrigens viele Texte zu den Kantaten. Der junge Lichtenberg war oft zu Gast im Graupnerschen Hause. 

 

Graupner erblindete im Alter und starb mit 77 Jahren.
Neben Bach, Händel und Telemann zählt er zu den bedeutenden Komponisten des Barock in Deutschland.

Ich danke sehr herzlich Frau Prof. Dr. Ursula Kramer für ihre Unterstützung sowie Frau Dr. Silvia Uhlemann, Leiterin der Historischen Sammlungen der Universitäts- und Landesbibliothek in Darmstadt für ihre freundliche „Nachlese".