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AUGENBLICK – Everest

Dedicated to „my" Co-story-teller Kamal

„You going to Basecamp?"
Das ist so die Standardfrage, die mir tagtäglich Dutzende Male von unterschiedlichsten Menschen gestellt wird.
Nein – ich gehe nicht zum „Everest-Basislager". Ich befinde mich zwar auf dem Everest-Trail, habe aber anderes vor: Ich will zeichnen. Das ist alles.
Die Antwort führt immer wieder zu Verblüffung und oft wird schnell von mir und meinem Aquarellkasten ein mobiles Foto erstellt.

Die Fragenden oder ich ziehen dann jeweils im eigenen Tempo weiter und vielleicht sehen wir uns abends in einem Lodge wieder. Vielleicht aber auch nicht.
Ich bin ja in der ruhigen Reisezeit unterwegs – Dezember – ist eigentlich nicht „der" Reisemonat für den Himalaya. Und trotzdem bin ich auf dem Trail nie länger als fünf Minuten allein. Yak-, Pferde- und Eselskarawanen ziehen an mir vorbei, Trecker aus allen Ländern, Schulkinder und Familien... und die Lastenträger mit den gewaltigen Paketen.

Alles ist in Bewegung – zu Fuß!

 

 

Es ist Winter und abends wird es schrecklich kalt.

Es gibt keine Heizungen – morgens ist das Wasser in meinen Wasserbehältern gefroren. Die sanitären Anlagen sind rudimentär nutzbar.

Man trifft sich also abends am einzigen warmen Ort in der Lodge – dem Ofen. 
Der wird gegen 18 Uhr angezündet und wird bis maximal 20 Uhr in Schwung gehalten. (Brennstoff ist kostbar und muss ja transportiert werden.)

 

Wenn der Ofen „aus" ist, geht man ins Bett. So einfach ist das.

Es gibt also nur diese Zeit, um miteinander ins Gespräch zu kommen. 

Anfangs fällt mir das schwer, aber ich lebe mich ein und beschließe für mich,
diese einmaligen Momente zu nutzen, rolle mein Bild aus und beginne zu erzählen...

Dabei wird „mein" Märchen zum „Türöffner" und Ausgangspunkt für ganz andere Geschichten.

Ich höre Geschichten von Amit, einem Nepali, der als IT-Spezialist in den USA lebt und immer gefragt wurde, ob er den Everest gesehen habe und der sich auf den Weg gemacht hat, um endlich das gute Stück zu besuchen.

Oder Kim Tae, ein Koreaner, der in Nepal die nepalesische Flöte studiert, der kaum Englisch kann, aber mich bittet, sich eine eigene Geschichte zu meinem Märchen einfallen lassen zu dürfen. Da ist Narayan, auch ein Nepali, der es geschafft hat, zusammen mit Schweizer Freunden, nach dem Erdbeben 30 Häuser in seinem zerstörten Heimatdorf wieder aufzubauen. Oder eine Malayin, die in Mallorca-Wellness-Kurse gibt, mit einem Spanier verheiratet ist und den Chola-See sehen will. So komme ich ins Gespräch mit den unterschiedlichsten Nationalitäten, treffe auf Menschen  – immer nur für diesen, einen Abend –  Aber meine liebste Bekanntschaft ist Kamal, ein Nepali, der zusammen mit seinem deutschen Freund seit Jahren verrückte Bergtouren durchzieht. Auch sie haben dafür gesorgt, das zehn Häuser in seinem Heimatdorf wieder aufgebaut werden konnten. Er ist besonders gerührt von „meinem" Märchen und wie ich hörte, hat er es in eigenen Varianten auf vielen Lodges weitererzählt, was mich wiederum sehr berührt hat.
Und so freue ich mich jetzt hier, Wochen später, an den kostbaren Augenblicken, die ich im Everest erleben durfte.