Also mal ganz ehrlich – was wäre Darmstadt ohne Hochzeitsturm???? Nackig! Trostlos! Was sollten arme Illustratoren dann
zeichnen??
Allein dafür hat Joseph Maria Olbrich einen Orden verdient. Welche Stadt hat denn schon so ein schönes
Wahrzeichen?
Paris, der Eiffelturm oder die Freiheitsstatue in New York – ist ja ganz nett – aber dieser Hochzeitsturm lässt sich prima zeichnen – auch von ungeübten
Händen. Das liegt an seiner schlichten und „griffigen" Form.
Hier eine Miniauswahl von 20 Jahren Auseinandersetzung mit dem Hochzeitsturm – ich habe nur die ersten, leicht zugänglichen Daten genommen – und es wird
nicht langweilig! Ich habe ihn in Tusche, Wachstechnik, Collage, Kartoffeldruck, Malerei und und...
Aber nun zu Joseph Maria Olbrich:
2010 gab es auf der Mathildenhöhe eine ganz besondere Ausstellung:
JOSEPH MARIA OLBRICH 1867-1908 Architekt und Gestalter der frühen Moderne
Voller Überraschung lernte ich damals einen begnadeten Zeichner kennen. Bis zu dieser Ausstellung hatte ich zwar die von Olbrich entworfenen Jugendstilgebäude gekannt aber die gesamte Bandbreite seines Könnens wurde mir erst in dieser Ausstellung bewusst. Es war ein Erlebnis, seine wunderbaren Zeichnungen in „echt" sehen zu können. Ganz besonders beeindruckt war ich von der Erkenntnis, dass er das Gebäude der Wiener Sezession entworfen hatte, das mich schon als Kind wegen seiner großen, goldenen, appetitlichen Ferrero-Rocher-artigen Kugel fasziniert hatte.
Im Rahmen dieser Ausstellung fiel mir vor allem ein sehr grafisches Plakat von Olbrich auf – für mich ist es eine Art Klassiker der
Plakatkunst geworden.
Als ich dann mit den Skizzen für das Olbrich-Plakat begann, wollte ich auf jeden Fall dieses Olbrich-Plakat als Gestaltungselement aufgreifen – nur dass in meinem
Fall das rot-weiße Karomuster durch eine kariertes Grubentuch ersetzt wurde.
Wer wann denn nun Joseph Maria Olbrich?
1867 im heutigen tschechischen Troppau geboren wuchs Olbrich in einem durchaus wohlhabenden Elternhaus auf: Sein Vater war Konditormeister und
vielleicht kam daher dieser feine Sinn fürs Dekor. Der Vater besaß aber auch eine Ziegelei. Dies weckte schon früh Olbrichs Interesse am Baugewerbe: Bauklötze mit
Anwendungsbezug – Er studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien und gewann mit seinen Entwürfen mehrere Preise. 1893 trat er in das Büro von Otto Wagner
ein. Die meisten Detailpläne für die Gebäude der Wiener Stadtbahn dürften von Olbrich stammen. 1897 entstand dann das berühmte Gebäude der Wiener Sezession nach
seinem Entwurf. Und das sprach sich rum – auch in Darmstadt: Großherzog Ernst Ludwig von Hessen besuchte Joseph Olbrich 1899 in Wien und bat ihn, nach Darmstadt zu
kommen. Er bot ihm die einmalige Möglichkeit, in der entstehenden Künstlerkolonie Mathildenhöhe, die Einheit von Design und Architektur zur Perfektion zu bringen. Und
so startete er mit seiner Arbeit in Darmstadt auf der Künstlerkolonie.
Am 4. April 1900 bekam er vom Großherzog den Professorentitel verliehen und wurde hessischer Bürger.
Um an die Hochzeit von Großherzog Ernst Ludwig mit Eleonore von Solms-Hohensolms-Lich zu erinnern, beauftragte die Stadt Darmstadt Olbrich mit der Planung des Hochzeitsturms. Mit seiner zurückhaltenden Gestaltung ging Olbrich bereits in Richtung Moderne und das macht dieses eher strengem Jugendstil gehaltene Gebäude so einzigartig. Leider erlebte Olbrich die Fertigstellung des Turms nicht mehr, er starb mit nur 40 Jahren am 19. Juli 1908 in Düsseldorf an Leukämie.