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Licht für Darmstadt

Meine erste Physikstunde vor vielen Jahren begann mit einem rotem Kunststoffstab und einem Kaninchenfell. Nach zahlreichen mathematischen Tiefflügen dachte ich hoffnungsvoll  „Das könnte ja vielleicht interessant werden..." – Der Lehrer rieb das Kaninchenfell über dem Kunststoffstab, es gab Funken, er begann zu erklären und ich schaltete ab – ich erwachte 3 Jahre später, als ich Physik abwählen konnte.

 

Ja - aber hätte ich Erasmus Kittler als Lehrer gehabt - dann wäre sicher alles anders gekommen :-)

(Er hätte mich wahrscheinlich gleich rausgeworfen...)

 

Wer war Erasmus Kittler?

Erasmus Kittler wurde 1852 als Sohn eines Schneidermeisters  in Schwabach geboren. Schon früh arbeitete er als Volksschullehrer, bereitete sich aber nebenbei auf sein Abitur  vor.  Danach studierte  er in München und Würzburg Mathematik und Physik auf Lehramt. Schließlich promovierte er 1880 an der Uni Würzburg und habilitierte 1881 an der TH München. Das allein war schon eine beachtliche Karriere.

 

Und dann kam DER Auftrag: 

Die Rettung der Großherzoglichen Hessischen Technischen Hochschule in Darmstadt. Diese war zwar im Oktober 1877 von Großherzog Ludwig IV gegründet worden, erfreute sich aber keines großen Zuspruchs. Es lief einfach nicht gut. Mit 137 Studenten insgesamt, war sie alles andere als erfolgreich. Man überlegte sich bereits, die Universität zu schließen, als die Professoren Dorn und Staedel vorschlugen, einen Lehrstuhl für Elektrotechnik einzurichten. Und für die Leitung des Lehrstuhls berief man Erasmus Kittler. Was uns heute, gerade in Darmstadt, selbstverständlich erscheint – ein Lehrstuhl für Elektrotechnik – war damals eine innovative Idee. Und Erasmus Kittler war der Richtige, um das aufzubauen, was der Darmstädter Hochschule bis heute einen weltweiten Ruf eingebracht hat. Er startete im Gründungsjahr mit 4 Studenten, 1892/93 waren es bereits 150, von 1899 bis 1904 waren jeweils mehr als 600 Studierende im Fach Elektrotechnik eingeschrieben.

Wie kam es zu diesem Erfolg?

Kittler baute anschauliche Experimentierreihen auf und muss derart spannende  und hervorragende Vorlesungen gehalten haben, dass nicht nur Studenten sondern auch interessierte Darmstädter Bürger zu seinen Vorlesungen kamen. Besonders hervorzuheben war sein enger Kontakt zu den neu entstehenden Industriezweigen. Der hohe Praxisbezug kombiniert mit der Lehre führte zu einem Pioniergeist, der seine Studenten hoch motivierte und die Entwicklung des Lehrstuhls voran trieb.

Kittler befasste sich neben seiner Lehrtätigkeit unter anderem auch mit 34 Elektrifizierungsprojekten für Industrie und Kommunen.

 

Damals herrschte noch Gasbeleuchtung in Darmstadts Gassen, was wegen der Explosionsgefahr nicht immer ungefährlich war. Um privaten Anbietern zuvor zu kommen, wurde Kittler damit beauftragt das geliebte Darmstädter Theater (mit circa 3.000 sechzehnkerzigen Glühlampen) und nebenbei auch die Stadt Darmstadt zu elektrifizieren. Und so initierte er den Bau der „Centralstation für elektrische Beleuchtung". 1888 startete der Betrieb der Centralstation und so wurde  Darmstadt damals zur dritten Stadt auf der Welt mit flächendeckender Stromversorgung. Kittler  war in viele europaweiten Projekten involviert, blieb aber seinem Darmstadt treu.

Wenn wir heute an der TU beim Herrengarten vorbeifahren sehen wir noch einen Teil des Pützerturms stehen. Der Pützerturm war neben der Unterbringung der Hörsäle auch eine Art Sendestation, denn er wurde als Signalstation für drahtlose Telegrafie genutzt. Auf ihm saß ein Kupferhelm, der als Laterne für einen Scheinwerfer diente. Leider wurde der Turm in der Brandnacht zerstört, aber in meinem Bild habe ich ihn wieder aufleben lassen. Also, auch wenn ich keine Ahnung von Physik und Elektrotechnik habe, so bin ich Erasmus Kittler sehr dankbar - nicht zuletzt für die Centralstation, die uns heute mit tollen Veranstaltungen beglückt.